Überstunden im Arbeitsalltag: Definition, Rechtliche Grundlagen, Vor- und Nachteile

Überstunden sind in vielen Unternehmen fester Bestandteil des Arbeitsalltages und gehören für zahlreiche Beschäftigte zur Normalität. Aus HR-Perspektive stellt sich die Frage, wie Überstunden klar geregelt werden können, welche Verpflichtungen sowie Ansprüche sich daraus ergeben und was es bei der Erfassung zu beachten gilt. Besonders im Hinblick auf digitale Zeiterfassungssysteme und transparente Mitarbeiterführung kommt dem gezielten Umgang mit Überstunden eine wichtige Rolle zu.

Definition: Was sind Überstunden?

Überstunden liegen dann vor, wenn Mitarbeitende über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus arbeiten und dadurch zusätzlich zur regulären Arbeitszeit tätig werden. Maßgeblich hierfür sind üblicherweise individuelle oder kollektivvertragliche Vereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit. Nicht jede längere Anwesenheit am Arbeitsplatz wird automatisch als Überstunde qualifiziert. Vielmehr ist entscheidend, dass die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet, genehmigt oder zumindest wissentlich gebilligt wurde. Zusätzlich ist der zeitliche Rahmen wichtig, welcher klar in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen definiert sein sollte, um Missverständnisse zu vermeiden.

Rechtliche Grundlage und Rahmenbedingungen

Das Thema Überstunden ist rechtlich komplex und wird von verschiedenen gesetzlichen und tariflichen Regularien definiert:

  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Legt fundamentale Regeln und Grenzen für Arbeitszeiten fest. Grundsätzlich darf reguläre Arbeitszeit laut ArbZG acht Stunden täglich nicht überschreiten. Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden täglich ist erlaubt, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht übersteigt.
  • Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge: Viele Unternehmen regeln Überstunden detailliert in unternehmenseigenen Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen bzw. individuell im Arbeitsvertrag.
  • Dokumentationspflicht: Unternehmen sind gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Mai 2019 dazu verpflichtet, ein zuverlässiges System zur Arbeitszeiterfassung bereitzustellen. Eingeschlossen ist auch die Erfassung von Überstunden.

Mitbestimmung und Mitwirkung des Betriebsrats bei Überstundenregelungen

Bei der Handhabung von Überstunden ist insbesondere die Einbeziehung des Betriebsrats oder Personalrats zu beachten, sofern ein solcher im Unternehmen vorhanden ist. Diese Mitbestimmung ist gesetzlich im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Dies bedeutet konkret, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Einführung, Änderung oder Abschaffung von Regelungen zur Arbeitszeit und Überstunden zwingend mitbestimmungspflichtig ist.

Daher sind folgende rechtlichen Aspekte besonders zu berücksichtigen:

  • Der Betriebsrat hat ein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der grundsätzlichen Rahmenbedingungen zu Überstunden, insbesondere bezogen auf deren Anzahl, Umfang und Ausgleichsregelungen.
  • Überstunden, die ohne Beteiligung des Betriebsrats angeordnet wurden, sind im Zweifel unwirksam. Der Betriebsrat kann in diesem Fall die Unterlassung fordern.
  • Darüber hinaus hat der Betriebsrat Einsichtnahme- und Auskunftsrechte, insbesondere zur Überstunden-Dokumentation und Arbeitszeitkontrolle.
  • Werden tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen zu Überstunden getroffen, sollten diese immer unter enger Abstimmung und klarer Zustimmung des Betriebsrats erfolgen.

Überstundenvergütung: Auszahlung oder Freizeitausgleich?

Die Vergütung von Überstunden ist ein zentraler Aspekt, der klar definiert werden sollte und in Tarif-, Betriebsvereinbarungen oder individuellen Arbeitsverträgen geregelt sein muss.

Grundsätzlich unterscheiden sich zwei Formen der Überstundenvergütung:

  • Auszahlung der Überstunden: Die monetäre Vergütung von Überstunden erfolgt in der Regel durch Zusatzentgelte. Dabei werden Überstunden oft mit einem Zuschlag vergütet, typischerweise zwischen 25% und 50% des regulären Stundenlohns. Dies ist tarifvertraglich oder individuell festzulegen. Bei Auszahlung ist stets zu beachten, wie diese lohnsteuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich behandelt wird, um eine korrekte Abrechnung sicherzustellen.
  • Freizeitausgleich: Alternativ ist auch ein Freizeitausgleich möglich und weit verbreitet. Dabei erhalten Beschäftigte einen Ausgleichstag in Form freier Zeit anstelle einer monetären Vergütung für geleistete Überstunden. Dies bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich und sollte klar geregelt sein: Wie lange können Überstunden gesammelt werden? Innerhalb welchen Zeitrahmens muss der Überstundenausgleich stattfinden?

 

Vergütungsform Vorteile Nachteile
Auszahlung (finanziell)
  • Zusatzeinkommen
  • Unmittelbar monetäre Anerkennung
  • Steuerliche Belastung
  • Höhere Personalkosten
Freizeitausgleich
  • Verbesserung der Work-Life-Balance
  • Mehr Erholung
  • Erschwerte Einsatzplanung
  • Kapazitätsengpässe

Bestimmen Sie mit unserem Überstundenrechner genau wie viel Sie für Ihre Überstunden ausgezahlt bekommen. Welche weiteren Regelungen gelten und wer was ausbezahlt bekommt lesen Sie unten.

Überstundenrechner

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Gesundheitliche und soziale Aspekte von Überstunden

Überstunden können sowohl für Mitarbeitende als auch Unternehmen signifikante Vor- und Nachteile haben. Vermehrte Mehrarbeit kann gesundheitliche Risiken bergen und muss im Sinne des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) aktiv gesteuert werden.

Zu den potenziellen Risiken gehören:

  • Chronischer Stress und erhöhtes Burnout-Risiko aufgrund permanenter Arbeitsüberlastung
  • Reduzierte Produktivität und Effizienz aufgrund langfristiger Ermüdung
  • Negative Auswirkungen auf die Work-Life-Balance und soziale Beziehungen durch eingeschränkte Freizeit
  • Höhere Fehleranfälligkeit durch ermüdungsbedingte verminderte Konzentrationsfähigkeit

 

Aus Unternehmenssicht erhöht sich bei regelmäßigen und nicht ausreichend ausgeglichenen Überstunden die Wahrscheinlichkeit von krankheitsbedingten Fehlzeiten, erhöhter Personalkosten und sinkender Mitarbeiterzufriedenheit. Daher sollten HR-Abteilungen und Führungskräfte Maßnahmen ergreifen, um gesundheitliche Risiken und soziale Auswirkungen aktiv zu steuern und mit Mitarbeitenden klare Vereinbarungen zur Überstundenregelung zu treffen sowie Förderung von ausreichendem Ausgleich zu gewährleisten.

Technische Unterstützung durch HR-IT Systeme

Moderne HR-IT Systeme unterstützen Unternehmen signifikant dabei, Überstunden systematisch und rechtskonform zu erfassen, auszuwerten und zu steuern.

Digitale Zeiterfassungssysteme bieten zahlreiche Vorteile:

  • Transparenz: Mitarbeiter:innen und Führungskräfte haben zu jeder Zeit einen guten Überblick über Arbeitszeiten und Überstundenkontingente.
  • Compliance: Automatische Erfassung erleichtert die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und reduziert Haftungsrisiken.
  • Einfachere Verwaltung: Vor allem in größeren Organisationen können HR-Systeme Überstundenverwaltung vereinfachen und administrative Tätigkeiten signifikant reduzieren.
  • Reporting und Analysen: Überstundenentwicklung, -auswertung und -steuerung lassen sich datenbasiert darstellen und besser managen.

Vor- und Nachteile von Überstunden im Überblick

Überstunden sind im modernen Arbeitsleben weit verbreitet und können sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen positive und negative Effekte hervorrufen.

Hier eine Übersicht:

Perspektive Vorteile Nachteile
Mitarbeitende
  • Finanzielle Anreize
  • Flexibilität
  • Karrierechancen
  • Gefühl der Wertschätzung
  • Stress
  • Burnout-Risiko
  • Eingeschränkte Work-Life-Balance
  • Gefahr der Überlastung
Unternehmen
  • Höhere Flexibilität bei Arbeitsspitzen
  • Bessere Kapazitätssteuerung
  • Kurzfristige Produktivitätssteigerung
  • Erhöhte Krankheitsquote
  • Sinkende Mitarbeiterzufriedenheit
  • Steigende Personalkosten
  • Höhere Fehleranfälligkeit

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Schritt für Schritt zur Umsetzung einer erfolgreichen Überstundenregelung

Um eine erfolgreiche und rechtskonforme Überstundenregelung nachhaltig im Unternehmen zu implementieren, ist es empfehlenswert, die folgenden Schritte systematisch anzugehen:

1. Bedarfsermittlung:

Klären Sie zunächst den tatsächlichen Bedarf und die Ursachen für Überstunden im Unternehmen. Analysieren Sie, ob strukturelle Probleme oder temporäre Belastungen bestehen.

 

2. Beteiligung relevanter Instanzen:

Beziehen Sie frühzeitig den Betriebsrat, Führungskräfte und relevante Fachabteilungen mit ein, um eine breite Akzeptanz der Regelungen zu erreichen.

 

3. Festlegung rechtlicher Grundlagen:

Prüfen Sie alle gesetzlichen und tariflichen Vorgaben sorgfältig und integrieren Sie diese explizit in Ihre interne Regelung, um Compliance zu garantieren.

 

4. Dokumentation erstellen:

Erarbeiten Sie verständliche Dokumente wie Betriebsvereinbarungen oder Richtlinien, die klar kommuniziert und von Mitarbeitenden nachvollzogen werden können.

 

5. Schulungen organisieren:

Qualifizieren Sie Führungskräfte und HR-Verantwortliche im richtigen Umgang mit Überstunden sowie den technischen Systemen zur Zeiterfassung.

 

6. Implementierung technischer Lösungen:

Führen Sie digitale Zeiterfassungssysteme effektiv ein und stellen Sie sicher, dass deren Nutzung bekannt und geübt wird.

 

7. Monitoring und Optimierung:

Überwachen Sie die Umsetzung kontinuierlich und nehmen Sie regelmäßig Anpassungen zur Optimierung der Prozesse vor.

Tipps & Tricks für den praktischen Umgang mit Überstunden

  • Etablieren Sie klare Freigabeprozesse, um sicherzustellen, dass Überstunden ausschließlich bei betrieblich notwendiger Mehrarbeit entstehen.
  • Schulen Sie Führungskräfte aktiv darin, personelle Engpässe frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig alternative Lösungen zu entwickeln, um Überstunden zu vermeiden.
  • Prüfen Sie regelmäßig Ihre Arbeitszeitdaten, um wiederkehrende Muster oder Überstunden-Hotspots zu identifizieren und rechtzeitig organisatorische Anpassungen vorzunehmen.
  • Fördern Sie eine offene Feedbackkultur, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter proaktiv Belastungen ansprechen können, bevor sich Überstunden ansammeln.
  • Nutzen Sie automatisierte Warnfunktionen und Benachrichtigungen in Ihrer digitalen Zeiterfassungssoftware, um frühzeitig auf kritische Stundenkontingente aufmerksam gemacht zu werden.

 

Diese Maßnahmen helfen Ihnen, Überstunden präventiv zu managen, Mitarbeitenden ein gesundes Arbeitsumfeld zu bieten und dabei gleichzeitig die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen zu sichern.

Fazit

Das Thema Überstunden stellt HR-Abteilungen und Führungskräfte vor vielfältige Herausforderungen, deren erfolgreiche Bewältigung entscheidend ist für die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden wie auch für die Produktivität und Effizienz im Unternehmen. Ein klarer rechtlicher und organisatorischer Rahmen inklusive einer transparenten Erfassung und Dokumentation der Überstunden ist daher unumgänglich. Unternehmen sollten aktiv zwischen finanzieller Vergütung und Freizeitausgleich abwägen und dabei die individuellen Wünsche der Beschäftigten sowie die betrieblichen Bedürfnisse berücksichtigen. Technische Lösungen wie digitale HR-IT-Systeme können hierbei einen wertvollen Beitrag leisten und Unternehmen dabei unterstützen, Überstunden aktiv zu managen und proaktiv zu steuern.

Ergänzend sollten regelmäßig Schulungen, klare Kommunikationsstrategien sowie Betriebsvereinbarungen entwickelt werden, die Mitarbeitenden und Führungskräften Orientierung bieten. Letztlich profitieren Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen von einer durchdachten, strategischen Herangehensweise im Umgang mit Überstunden, die langfristig gesundheitsförderlich ist, die Work-Life-Balance stärkt und organisatorischen Herausforderungen angemessen begegnet.

Was versteht man unter Überstunden?

Überstunden entstehen, wenn Mitarbeiter die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit überschreiten, sofern die Mehrarbeit durch Arbeitgeber angeordnet oder zumindest gebilligt ist.

Wann müssen Überstunden bezahlt oder ausgeglichen werden?

Überstunden müssen vergütet oder durch Freizeitausgleich kompensiert werden, wobei genaue Regelungen in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgelegt sind.

Welche gesetzlichen Vorgaben gelten für die Überstundenregelung?

Laut Arbeitszeitgesetz darf die tägliche Arbeitszeit grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten, in Ausnahmefällen bis zu zehn Stunden, sofern innerhalb eines definierten Zeitraums ein Durchschnitt von acht Stunden pro Tag nicht überschritten wird.

Wie müssen Unternehmen Überstunden dokumentieren?

Seit dem EuGH-Urteil von 2019 sind Unternehmen verpflichtet, ein zuverlässiges System zur vollständigen und transparenten Arbeitszeiterfassung inklusive Überstunden bereitzustellen.

Wie können Überstunden effektiv reduziert werden?

Reduzieren lassen sich Überstunden durch digitale Zeiterfassungssysteme, flexible Arbeitszeitmodelle, gezielte Personalplanung sowie regelmäßige Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden.